Auszüge aus dem Tagebuch des Gorgorothpriesters Sarul dem Dunklen April 505: Heute habe ich einen passenden Kandidaten kennengelernt, Garis Heisblut ist sein Name. Er entstammt aus einem niederen, relativ jungen Adelsgeschlecht der Whitestorm Dynasty und er ist zutiefst unzufrieden mit seiner Stellung bei Hofe. Die ist nämlich nicht vorhanden, da er einfach zu unbedeutend ist und auch kaum Freunde in den richtigen Kreisen besitzt. Er hat auch kein Lehen und seine Kenntnisse der Etikette und des höfischen Intrigenspiels sind ... nun ja ... sehr marginal. Er hängt meistens mit einer Bande von Nichtstuern und Tunichtguten in irgendwelchen Kneipen und Bordellen herum und prahlt damit, wie gut er doch kämpfen kann und daß er jeden im Zweikampf besiegen würde (was ich persönlich stark bezweifle). Ich werde mich unauffällig an ihn heranmachen und seine Kampfkünste bewundern und ihm einfach ein wenig Honig ums Maul schmieren. Mail 505: Es hat geklappt! Garis glaubt jetzt, daß ich einer seiner größten Bewunderer bin und ich kann ihn mittlerweile ziemlich leicht manipulieren, der hellste ist er ja nicht gerade. Ich stachle ihn immer wieder dazu auf, Duelle zu provozieren und wenn er deswegen gerügt wird, behaupte ich, daß er nur nicht respektiert wird, weil er sich keinen Namen gemacht hat, weil ihn noch niemand kennt. Von Zeit zu Zeit lasse ich ein paar Bemerkungen einfließen über die heldenhaften Drachentöter, die weit im Osten ihre Kampfkünste an den sagenhaften und fürchterlichen Drachen erproben und wie in allen Tavernen und auf Parties von ihnen gesprochen wird. Meine Arbeit wird bald Früchte tragen, denke ich. Juni 505: Am meisten bewundere ich an meinen „Helden“ wie man mit so wenig Gehirn so lange überleben kann. Aber dieser Mangel scheint wohl in der ganzen Whitestorm Dynasty verbreitet zu sein, so daß er wohl keinen Wettbewerbsnachteil darstellt. Meine Einflüsterungen haben so gut gewirkt, daß Garis eines Tages aus heiterem Himmel verkündete, daß er sich den legendären Drachentötern anschließen würde. In seiner Ignoranz gab er die ganze Sache auch noch als seine Idee aus, was mir natürlich nur nützen kann. Seit einigen Tagen befinden wir uns nun schon in der Wildnis und ich kann nicht sagen, daß es mir gefällt. Ich hoffe nur wir treffen auf kein Monster bevor ich meinen Plan durchgeführt habe. So wie Garis kämpft befürchte ich das Schlimmste. Ende Juni 505: Oh wie verfluche ich mein Schicksal, daß es mir diese Idee eingegeben hat. Zwei Wochen befinden wir uns nun in dieser Wildnis, mir ist kalt, es ist schmutzig und von diesem miesen Gaul tut mir der ganze Hintern weh. So wie ich es geplant hatte versuchte ich vorgestern Garis zur Dunkelheit von Gorgoroth zu bekehren, aber mein wahrer Meister ließ mich im Stich. Ich wüßte nicht, was ich Gutes getan haben sollte, daß ich so ein Schicksal verdiene. Jetzt muß ich noch zwei Wochen unter diesen erbärmlichen Bedingungen leben, bevor ich einen zweiten Versuch wagen kann. Zum Glück nahm er mein Gefasel nicht weiter ernst und tat lächelnd meinen Glauben als groben Unfug ab. Zu allem Überfluß hat er gestern auch noch die Lagerstätte eines Vampirs gefunden und in seinem dämlichen, überhöhten Selbstwertgefühl mußte er ihn natürlich angreifen. Garis kämpfte wie ich vermutete mehr als erbärmlich, aber glücklicherweise der Vampir noch erbärmlicher. Aber obwohl ich mich die meiste Zeit hinter Garis aufgehalten habe „um ihm den Rücken zu decken“, gelang es dem Vieh trotzdem einen Schlag zu landen, der ziemlich wehtut. Garis sagt zwar es sei nur ein kleiner Kratzer, aber was weiß der schon – es tut wirklich höllisch weh. Die Krönung des ganzen wäre dann nur noch, daß Vampirismus doch ansteckend ist, wie es die alten Legenden behaupten und ich in einem Anfall von Blutrausch Garis töte, damit all meine Leiden umsonst gewesen sind. Juli 505: Oh du grausames Schicksal, warum schlägst du deinen Diener so hart ? Einer meiner Vorfahren muß ein wahrer Wohltäter gewesen sein, daß Gorgoroth so grausam mit seinem ergebensten Anhänger verfährt. Es ist mir jetzt tatsächlich gelungen, Garis zum einzigen wahren Glauben von Gorgoroth Phönix zu bekehren, aber warum war das Resultat nicht so, wie ich es mir gedacht hatte ? Anstatt mir in allen Belangen zu gehorchen (schließlich war ich ja sein Priester) und ganz begeistert von der Idee zu sein, in den Spinnenwald zu gehen, um dort weitere Instruktionen zu bekommen, hat er mich als erstes halb bewußtlos geprügelt und gesagt, wenn ich es noch einmal wage, ihm Befehle zu erteilen, würde er mich töten. Anstatt Gorgoroth zu dienen, indem er nach Avalon zurückkehrt, um dort Spionagedienste zu leisten, will er hier weiter Kampferfahrung und Schätze der Magie sammeln, um dann eine triumphale Rückkehr in seine Heimat zu veranstalten. Er überlegt auch, hier ein paar Dörfer einzunehmen und ihre Bewohner in den Heeresdienst zu pressen, um dann eine wirkliche militärische Macht zu werden. Das ist die dämlichste Idee, die ich in meinem Leben je gehört habe (das habe ich ihm natürlich nicht gesagt, er ist jetzt um vieles brutaler als früher), und was das Schlimmste ist, es zwingt mich, noch viele Monate, vielleicht sogar Jahre, hier, fern von jeglichen Annehmlichkeiten der Zivilisation zu verbringen. August 505: Ich stand kurz davor meinem erbärmlichen Leben ein Ende zu bereiten und nur die Memorisierung des mächtigen Zauberspruchs „Empathische Selbstheilung“ hat mich davor bewahrt. Garis schleift mich nämlich in jeden Kampf mit und droht damit, mich eigenhändig zu töten, wenn ich vor ihm flüchte. Obwohl ich mein Bestes gebe, um Garis zwischen mir und den Bestien zu halten, die wir inzwischen schon angegriffen haben, schaffen sie es immer wieder, mir ein paar Schläge zu verpassen. Die Verletzungen sind kaum halb geheilt, kommt schon wieder der nächste Kampf, der neue Wunden bringt und die alten aufbrechen läßt. Unter diesen Bedingungen kam auch mein Studium der Legenden und Gesänge, das mein Hobby für langweilige Stunden (und derer gibt es in der Wildnis zuhauf) ist, kaum weiter. Erst die Erkenntnis, daß dieser Spruch ja in meiner Bibel enthalten war und ich ihn, einmal memorisiert, nicht mehr vergessen würde, rettete mir mein Leben. Ich hätte Garis ja schon lange verlassen, wenn ich nicht solche Angst hätte alleine zurückzureisen. Ohne Garis Kenntnisse des Waldläufertums würde ich mich wohl hoffnungslos verirren und letztendlich das Futter für irgendein hungriges Monster abgeben. Allein die Möglichkeit, unsere Gefangenen ein wenig zu foltern, bringt mir Erheiterung in diesen finstren Stunden, auch wenn Garis mir verboten hat, ihnen ernsthaften Schaden zuzufügen, was den Spaß natürlich erheblich verringert. Anscheinend hat er noch irgend etwas mit ihnen vor, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, was. September 505: Ich muss zugeben, Garis ist ja doch nicht ganz so dämlich wie er aussieht, seine Idee den Geist, den wir vor längerer Zeit angegriffen und gefangengenommen haben, von seinem Untotenstatus zu heilen, ihn zu töten und ihn dann selbst wieder als Geist wiederzubeleben, war der beste Vorschlag, den ich je von ihm gehört habe (nicht, dass das viel heißt). Das Ritual ist gut verlaufen und erwartungsgemäß war er uns so dankbar, (besser gesagt mir, Garis hat er nämlich bei seiner Niederlage die Todfeindschaft erklärt) dass er sich uns angeschlossen hat und uns von nun an mit seinen nicht unbeträchtlichen Zauberkräften unterstützt. Da haben diese beiden Bauerntrampel, die sich uns bereits vorher freiwillig angeschlossen haben ganz schön gestaunt, als er von den Toten auferstanden ist. Ich glaube, wenn sie nicht vor Garis noch mehr Angst gehabt hätten, wären sie sofort davongelaufen, die Idioten. Mir geht es jetzt beträchtlich besser, der Zauberspruch „Empathische Selbstheilung“ funktioniert wirklich ausgesprochen gut und es macht einen Heidenspaß, die Wunden, die einen gerade noch selbst geplagt haben auf den Körpern der Gegner plötzlich auftauchen zu sehen, wenn auch meistens in stark verringerter Größe. Es ist sogar so weit gekommen, dass ich mich richtig auf den nächsten Kampf freue, damit ich meine Wunden wieder loswerden kann. Auch die Tatsache, dass ich jetzt einen persönlichen Untergebenen habe, den ich nach Belieben herumscheuchen kann hebt meine Stimmung enorm. Ich werde mich mal wieder daran machen, Garis zu eine Rückkehr zu überreden versuchen, vielleicht klappt es ja diesmal und vielleicht verprügelt er mich nicht mal. November 505: Gestern kam Garis von einem Kampf in Dartmoor zurück und war unglaublich schlechter Laune. Er hat zwar nichts genaues erzählt, aber ich nehme an, seine Seite muss verloren haben, er grummelt nur ständig irgendetwas von diesen Dunkelzwergversagern und der Ungerechtigkeit, dass er noch keine anständigen magischen Waffen gefunden hat. Und wieder hat es sich gelohnt, dass ich einen persönlichen Sklaven zur Verfügung habe, so wurde nicht ich verprügelt, als Garis mit dieser Laune ins Lager kam. Dezember 505: Endlich hat Garis diesen roten Drachen besiegt, den er jetzt schon seit zwei Monaten versucht zu besiegen. Ich dachte schon, er würde jeden von uns umbringen, so in Rage war er, dass er ihn nicht besiegen konnte. Ich hätte ihm ja den Grund gesagt, aber ich bin ja kein Selbstmörder, dass ich ihm ins Gesicht sage wie schlecht er eigentlich kämpft. Mittlerweile habe ich mir selbst gewisse Kampffertigkeiten angeeignet, so daß ich jetzt auf eigene Faust zusammen mit den anderen kämpfen kann. Die Ritualisierungen laufen weiterhin gut, auch wenn die Typen ziemliche Verlierer sind, die wir da auf unsere Seite holen. Na ja, man kann nicht alles haben. Februar 506: Mein schlimmster Alptraum ist wahrgeworden ! Als ich heute Abend aufgewacht bin und Garis in so einem seltsamen dunklen Licht leuchten sah, habe ich sofort gespürt, dass irgendetwas anders ist. Und als ich ihn dann begrüßt habe und er mich mit dieser machtvollen, dunklen Stimme angeherrscht hat: „Knie nieder, Erbärmlicher ! Knie nieder vor dem neuen Halbgott Gorgoroth Phönix !“ wusste ich instinktiv, dass ich mir meine Pläne endgültig wohin stecken kann, da mir Garis jetzt vollständig außer Kontrolle geraten ist. Was bleibt, ist das beste daraus zu machen und zu hoffen, dass er wirklich zu großer Macht aufsteigt, dass ich zumindest irgendetwas von den ganzen Entbehrungen und Leiden habe. Mai 506: Die letzten Monate waren relativ ereignisreich, aber für mich relativ angenehm, wenn man von Kleinigkeiten wie Garis Wutausbrüchen absieht, die in letzter Zeit immer heftiger werden. Aber vor einer Woche ist wieder etwas geschehen, dass mich ernsthaft daran zweifeln lässt, dass ich wirklich in der Gunst Gorgoroths stehe. Bis jetzt war ich zweifellos Garis wichtigster Vertrauter, die anderen können zwar vielleicht ein wenig besser zaubern als ich, aber nicht so viel, dass es auffallen würde und kämpfen kann ich immer noch besser als die anderen. Und so war noch alles eitel Wonne, als ich zum Supersondertarif für Drachentöter-Sidekicks zum Drachentöter-Clash angereist bin. Wie es sich für einen unanständigen Sidekick gehört, habe ich Garis zugegrölt, mich volllaufen lassen und ihm die Daumen gehalten. Vielleicht hat das wirklich etwas geholfen (die Götter seien verflucht dafür), denn Garis wurde wider meinen Erwartungen Zweiter (er nahm natürlich an, dass er konkurrenzlos Erster werden würde und bekam auch prompt einen Wutanfall). Als dieser vorüber war und er die offizielle Belohnung kassiert hatte, passierte es. So eine schamlose, arrogante und wirklich gutgebaute Halbelfin trat an ihn heran und bot ihm für seinen Fastsieg ihre Dienste an. Garis, dämlich wie er ist, war und natürlich von den körperlichen Reizen geblendet, sagte mit Freuden zu, trotz meine wohlbegründeter Bedenken. Sobald er zugesagt hatte, begann sie ihm lang und breit von ihren ach so tollen Fähigkeiten, ihren ach so tollen und ach so vielen Zaubersprüchen und ihrer ach so tollen Ausrüstung zu erzählen und betonte auch immer wieder und überdeutlich, um wie viel besser und nützlicher als ich sie Garis doch sein würde. Und als ich sie fragte, ob sie denn auch so schön singen könne wie ich, da lachte mich die Schlampe doch einfach aus und ging Arm in Arm mit Garis weg. Ich wäre beinahe ohnmächtig geworden vor Wut und ging als Ausgleich ein paar Gefangene foltern und umbringen. Irgendwann schläft sie auch und dann werden wir ja sehen, wer zuletzt lacht ! Juni 506: Endlich sind meine Gebete in Erfüllung gegangen ! Gorgoroth hat mich erhört ! Garis ist in seiner unermesslichen Arroganz gegen ein paar Drachen angetreten und dabei jämmerlich krepiert. Er soll zwar einen mit in den Tod genommen haben, aber das ist mir ziemlich egal, Hauptsache er ist tot. Die Halbelfe ist geschäumt vor Wut, als ich ihr lang und breit die Gründe erläutert habe, warum ich niemals rechtzeitig dort sein würde um ihn wiederzubeleben und dass ich keinen Bock darauf habe mit so was meine Zeit zu verschwenden. Und als ich dann angedeutet habe, dass ich vielleicht Garis´ Erbe werden würde und sie dann Kraft ihres Wortes daran gebunden ist, mir weiterhin zu dienen, wäre sie fast aus den Hosen gekippt, hehehe. Soll sie doch selbst zusehen, wie sie ihn wieder freibekommt. August 506: Sie haben es doch tatsächlich geschafft, Garis Leiche den Drachenlords zu entwenden und in die Hände der Abenteurergilde in Hammathond zu übergeben, wo er leider prompt wiederbelebt wurde. Aber mir ist das inzwischen egal. Ich sehe die beiden nur mehr alle unheiligen Zeiten und dann nur ganz kurz, so dass sie mir eigentlich kaum in die Quere kommen. Ich werde jetzt anfangen, meine eigenen Ziele zu verfolgen und meine Macht langsam aber sicher zu konsolidieren. Garis und diese Hexe spielen ganz einfach in einer anderen Liga, das habe ich jetzt endlich erkannt. Und wer weiß schon was die Zukunft für jemanden wie mich auf Lager hat, wenn ich mich nur richtig anstrenge ?