CC001: Der Krieg um Panther’s Tear Lora kauerte hinter einer kleinen Baumgruppe. Das Lager der Halbtrolle lag nur eine Bogenschusslänge entfernt. Es dämmerte, der Morgen zog herauf, und aus dieser Nähe konnte Lora nun bereits alle Details erkennen. Sie registrierte die Lager der einzelnen Truppenteile mit ihren Reittieren, den Kriegsmammuts, den Kriegsdrachen und den Kriegslanddrachen, den einzelnen Lagerplatz eines gewaltigen Kriegstieres, wie es Lora erst einmal gesehen hatte, eines Shadow Hawks, und die grossen Zelte der Führer des Heeres. Gerade öffnete sich ein Zelt, und heraus traten drei Kommandanten - Bes, der Generalstratege, der den Angriff geleitet hatte, Telly die Listige, die Besitzerin von Mannheim, die sich Prolo angeschlossen hatte, und Prolo selbst, der Regent des südlich gelegenen Halbtrollreiches. Er hatte den Befehl zum Angriff auf Panther’s Tear gegeben, und der Zeitpunkt war nicht schlecht gewählt, denn die Garnison der Tasengrossstadt, Schwesterstadt von Tosgard, war noch schwach besetzt, die Ausbildung neuer Truppen hatte erst begonnen. Aber nun standen sie hier, noch einen Tagesritt von Panther’s Tear entfernt, auf einer Hochebene, umrahmt von dichtem Wald, der sich die Hänge der umgebenden Berge hochzog. Als die ausgesandten Kundschafter Lora vor zwei Wochen die Ankunft eines ersten grossen Heeres von Prolo, 1.500 Mann mit einer Vielzahl von Mammutreitern, auf der Hochebene gemeldet hatten, hatte sie nach kurzer Rücksprache mit Than, dem Regenten von Panther’s Tear und Elara, der Herrin von Gath-jamal und Tierkegard, nicht gezögert und den Befehl zum Angriff gegeben. Champion Silverclaw war begeistert gewesen, nach langen Monaten des Trainings in der Rittergilde von Krosnogard endlich in den Kampfeinsatz zu kommen. Nach detaillierten Angaben der Kundschafter über Heeresstärke und Truppenaufstellung der Halbtrolle hatte Lora ihr Tasenheer, 1.600 kampferprobte Gesegnete Kroms, aufgestellt und im Morgengrauen angegriffen. Grimmig lächelnd dachte Lora an den Angriff zurück. Ihr Plan war voll aufgegangen. Während die Schützen aus dem Hintergrund ganze Truppenteile hinwegfegten, wurden zahlreiche Mammutreiter schon beim Versuch, dem Hagel der Wurfgeschosse auszuweichen, von ihren eigenen, schwerfälligen und nicht für den Gebirgswald geeigneten Reittieren erdrückt. Im Handstreich fiel das Heer der Halbtrolle, und nach kurzem Kampf ergaben sich die restlichen Truppen. Nur 18 Halbtrolle hatten das Gemetzel überlebt. 1.500 Soldaten samt ihrem Kommandanten waren tot. Lora hatte 180 Mann verloren. So war es gekommen, wie Than und Elara es geplant hatten. Prolo, der von der Schmach seiner Vorhut gehört hatte, leitete sofort das Hauptheer der Halbtrolle um. Der geplante Angriff auf Panther’s Tear, der zu diesem Zeitpunkt vielleicht erfolgreich gewesen wäre, fand nicht statt. Schon sechs Tage nach dem Gemetzel erreichte Prolos Hauptheer die Hochebene. Das Tasenheer, geschwächt durch den vorherigen Kampf und überrascht durch die Wucht des Angriffes, hatte keine echte Chance. Bes leitete mit klaren strategischen Anweisungen den Kampf, und da hatte Lora nicht viel entgegenzusetzen. Mit Wehmut dachte Lora an all die guten Männer, die im Kampf gefallen waren. Auch Champion Silverclaw, im Kampfesrausch zu unvorsichtig, war tödlich getroffen in Gefangenschaft geraten. Lora hatte als einzige entkommen können. Aber sie hatten die ihnen zugedachte Aufgabe voll erfüllt - sie hatten das Hauptheer von Prolo nochmals geschwächt, den geplanten Angriff auf Than’s Hauptstadt auf sich gezogen und die Vereinigung der beiden Heeresteile verhindert. Inzwischen rüstete in Panther’s Tear das Tasenheer für die entscheidende Schlacht. Than wählte die besten Kommandanten aus, um die einzelnen Truppenteile zu führen, zauberfähige Strategen, die schon mit starken Schlachtsprüchen das gegnerische Heer massiv zu schwächen vermochten. 2.000 erfahrene Tasenkrieger, kampfkräftig und schlachterprobt, scharten sich um das Banner von Than, bereit, jeden trollartigem Wesen, das sich ihnen entgegenstellen würde, den Kopf von den Schultern zu schlagen. Als Vorhut wurden Zauberfähige ausgesandt, um die magischen Barrieren, die Prolos Heer schützen sollten, und von denen die Kundschafter berichtet hatten, zu zerstören. Lora, einer erfahrenen Waldläuferin, bereitete es keinerlei Schwierigkeiten, in der Wildnis zu überleben, Prolos Truppen unbemerkt zu beobachten und auf das Ankommen des Tasenheeres zu warten. Es war der achte Tag seit der zweiten Schlacht, und Lora wusste, dass es nun nicht mehr lange dauern konnte. Lora kauerte hinter einer kleinen Baumgruppe. Das Lager der Halbtrolle lag nur eine Bogenschusslänge entfernt. Der Morgen brach an, und gerade als die ersten Sonnenstrahlen schüchtern über die Baumkronen lugten, sah Lora, wie plötzlich hinter dem Zelt von Bes eine Gestalt buchstäblich aus dem Nichts auftauchte. Lora stellte fest, dass es ein Tase war, und an den charakteristischen Handbewegungen konnte sie den Barden erkennen, der auf auffällige Art offenbar einen starken Fluch auf Bes, den Generalstrategen des Halbtrollheeres, sprach. Lora wusste nun, dass der Angriff unmittelbar bevorstehen musste. Erneut lächelte sie grimmig, in freudiger Erwartung der Schlacht, die gleich losbrechen würde. Für ein paar Sekunden war es ganz ruhig. Das Heer der Trolle hatte noch nicht mit seinen lärmenden Morgenarbeiten begonnen. Man hörte nur das leise Rauschen des Schwingen der Kriegsdrachen, die sich träge auf und ab bewegten, und das nervöse Scharren der Kriegslanddrachen und Kriegsmammuts. Noch bevor ein Ton zu hören war, sah Lora plötzlich, wie sieben einzelne Tasen vom lichten Waldrand heraus auf die freie Hochebene traten. Dahinter erkannte Lora bereits die vordersten Reihen des wartenden Tasenheeres, das sich lautlos genähert hatte. Lora erkannte Phorus-Rhacos, den legendären Arkanen Meister, der die Hexenmeister zum dauerhaften Sieg über alle anderen Zauberdisziplinen geführt hatte. Neben ihm standen zwei mächtige Gefolgsleute aus der Gruppe von Algor Narion, dem Hohepriester Kroms, und vier starke Kommandanten aus dem Gefolge von Than. Lora, deren Hexenmeisterfähigkeiten noch nicht über die eines begabten Zauberlehrlings hinausgingen, staunte, als plötzliche mächtige Feuerblitze in einem furchtbaren magischen Sturm auf das Lager des Halbtrollheeres niederzuckten, während gleichzeitig eine magische Aura um das Tasenheer zu leuchten begann, die jeden einzelnen Tasenkrieger stärker erscheinen ließ. Einer der Trollführer, der gerade aus seinem Zelt getreten war, wurde von einem Feuerblitz getroffen, und dort, wo er gestanden hatte, befand sich von einem Moment auf den anderen nur mehr ein schwarzer, rauchender Krater. Die Soldaten und ihre Kommandanten schreckten auf, Chaos breitete sich aus und die Herden der Kriegstiere stoben in wilder Panik auseinander. Doch noch war Prolos Heer nicht besiegt. Während sich nun die Truppen hektisch zum Kampf formierten, stürmten bereits die Tasenkrieger mit langen Schritten heran. Aus dem Hintergrund erklangen die Rufe von Lexus, dem Hauptkommandanten des Tasenheeres, der den Angriff mit seinen überragenden strategischen Fähigkeiten leitete. Die Tasenkrieger schwangen ihre Schlachtäxte, und aus allen Kehlen erklang wie aus einer ihr machtvoller Kampfschrei: "Für Krom! Für Than! Für die Ehre der Tasen!". Bei diesem furchterregenden Anblick erstarrte so mancher Halbtroll, doch der Großteil des Heeres stellte sich dem Kampf. Als die Fronten klirrend aufeinanderprallten, konnten die Halbtrollsoldaten der Wucht und der Entschlossenheit der angreifenden Tasenkrieger nicht standhalten. Die Reihen des Halb- trollheeres zerbarsten, und ein wildes Schlachten setzte ein. Prolo wurde schnell von Tasentruppen eingekreist, und als der Kommandant des Halbtrollheeres und Führer des Reiches, pfeilgespickt und mehrfach tödlich getroffen, fiel, breitete sich Panik unter seinen restlichen Truppen aus. Wie Schnitter in einem Getreidefeld mähten die Tasenkrieger das kleiner und kleiner werdende Halbtrollheer nieder. Telly die Listige und die weiteren Kommandanten starben in schneller Folge, und in berserkerhafter Wut schwangen die Tasenkrieger ihre blutigen Schlachtäxte. Plötzlich hielt das Tasenheer im Schlachten inne, und es wurde ruhig. Als Lora nun das Schlachtfeld überblickte, konnte sie alle Führer inmitten des kaum geschwächten Tasenheeres sehen. Aber kein einziger Soldat aus dem Heer von Prolo lebte noch. Auch vier der fünf einstigen Kommandanten waren tot. Als letzter seines ganzen Heeres stand nur noch Bes, der Generalstratege, doch sein Blut lief aus so vielen Wunden, dass er den Tag kaum überleben würde. Wieder erklang ein mächtiger Ruf aus allen Kehlen wie aus einer: "Für Krom! Für Than! Für die Ehre der Tasen!". Und der steinige Boden des Gebirgswaldes färbte sich tiefrot vom Blut der dahingemetzelten Halbtroll-Truppen. Kein Laut war mehr zu hören, es herrschte gespenstische Stille. Nur ein einzelner, herrenloser Shadow Hawk zog noch klagend seine Runden... gez. Lora, Waldläuferin, im Auftrag von Elara, Herrin von Gath-jamal und Tierkegard Harald Gehringer A-8786 Rottenmann, Edlach 9 E-Mail: harald.gehringer@computerhaus.net