Das Ende einer Legende Eine kleine seltsame Gruppe flog durch die Nacht. Die Amazone und ihre Begleiter hockten nach der langen Reise ein wenig verkrampft auf ihren Drachen. Der heftige Regen verschluckte die gleichmäßigen Geräusche, die die Flügel der Kriegsdrachen verursachten. Immer wieder trieb der Wind Regenschwaden in die Gesichter der Reiter. Die klamme Kälte hatte längst den letzten trockenen Faden der Kleidung erreicht. Die Unbilden des Wetters störten aber kaum jemanden, dazu war die Anspannung zu groß. Power hoffte, daß diesmal alles funktionieren würde und sie endlich ihre Rache an Murgha nehmen konnte, Rache für die Schmach, Rache für ihren eigenen Tod, Rache für die einzige Niederlage, die sie jemals gegen ein Monster hinnehmen mußte. Sie schauderte bei dem Gedanken an das Fiasko der letzten Woche, an ihren Fehler bei dem Teleport-Zauber, nach dem die Gruppe ohne sie losgeflogen war. Keiner war mit dem Leben davongekommen, und so mußte nun die Reservegruppe den Hauptangriff durchführen. Wenigstens hatte Caldliniel der Barde ganze Arbeit geleistet, die Bestie hatte durch seine Flüche einen guten Teil ihrer Fähigkeiten eingebüßt. Die Dunkelheit der Nacht wich langsam einem trüben Grau, in dem sich schemenhaft die Konturen des hügeligen Geländes abzeichneten. Caldliniel hatte ihnen eine markante Hügelformation beschrieben, die sie nach geraumer Zeit auch fanden. Dort bemerkten sie Spuren der Verwüstung, die auch der unablässig strömende Regen in dem Gelände noch nicht hatte aufweichen können. Und dann sahen sie auch den schwarzen, seltsam geformten Hügel. Das mußte der Drache sein. Power sprach in Gedanken schnell ihren Schwächezauber, der ihre einzige Chance war. Sofern sie selbst einen Hieb gegen die Bestie führen könnte. Sofern es ihre Gefährten, diese seelenlosen Untoten, tatsächlich schafften, die Aufmerksamkeit des Drachen lange genug von ihr abzulenken. Die Luft schien sich in Sirup zu verwandeln. Power erinnerte sich nur zu gut an Murghas weit überlegene Fähigkeiten. Sein Feuerodem wallte heran und umschloß den untoten Hobgoblin, der extra für diesen Angriff mit einem speziellen Schild ausgestattet worden war. Er wurde nur leicht verwundet und konnte weiter kämpfen. Die wenigen Pfeile, die die andern Kämpfer von ihren durchgeweichten Bogensehnen abschießen konnten, wirkten angesichts des Kolosses nur wie Spielzeuge. Von dem riesigen Drachen aber lösten sich zwei baumgroße Stacheln, die auf die Mitte der ersten Reihe trafen. Bei ihrem Einschlag herrschte ein Chaos aus Blut und Schreien. Power schüttelte ihre Benommenheit ab und wischte sich die Koboldfetzen aus dem Gesicht. Mit einem unglaublichen Tempo fegte Murgha heran, der Luftzug fegte die Überlebenden beinahe von ihren Reittieren. Ruthere schoß noch ein letztes Mal seinen Bogen ab, dann wurde er von einer Drachenklaue zerschmettert. Ebenso erging es dem letzten der Untoten. Da nutze Power eine kleine Blöße, eine winzige Unaufmerksamkeit des Untieres und trieb ihr Schwert tief in den schwarzen Körper. Sie wurde von dem ekligen grünen Sturzsee, der sich aus der Wunde ergoß, von ihrem Streitwagen gespült und stürzte besinnungslos in den Morast. Die Erde bebte und bäumte sich auf, und die Amazone wurde von einer braungrünen Schlammlawine begraben. Würgend und hustend arbeitete sich Power durch den Morast, bis sie die Konturen ihres Streitwagens ertastete. Mit letzter Kraft kroch sie auf die Plattform und wischte sich den Dreck aus den Augen, so daß sie einen Rundblick riskieren konnte. Ungläubig starrte sie auf den Umriß des Drachen, der reglos aus dem Schlamm ragte. Sollte sie es tatsächlich geschafft haben? Eines war sicher: sie selbst lebte! Sie sprang von der Plattform ihres Streitwagens und versank bis zur Hüfte in der stinkenden Brühe. Doch das war ihr egal. Einmal umrundete sie den Kadaver, dann war sie überzeugt. Murgha, der Schwarze, die Bestie, der Schrecken Pelarns, war tot.