Der Beginn des Bürgerkriegs der Elfen Ein goldener Herbsttag ging zu Ende in den Tälern des Mondlichtgebirges. In den Strahlen der Abendsonne zogen die dunklen Regenwolken des ersten Septembergewitters seit vielen Jahren auf und die Fuhrleute der Erntekarren trieben ihre Tiere zur Eile an. Doch noch eiliger hatte es ein Reiter der an ihnen vorbei preschte, geradewegs auf die Tore von Crescentmoon Castle zu. Nicht lange hielten ihn die Torwachen auf und ließen ihn passieren. Und sorgenvolle Blicke folgten ihm, in Vorahnung der Kunde die man ihrer Kaiserin bringen würde. Vorbei an den Gilden der Waldläufer und Ritter der Stadt hatte der Bote nicht einen Blick für den heiligen Hain der Elacrai und die weißen Kuppeln ihres Tempels, deren Kristallspitzen im roten Licht des Sonnenwagens purpur aufleuchteten. Sein erschöpftes Pferd zu Fuße der breiten Treppe zurücklassend stürmte er die hundert Stufen zum kaiserlichen Palast hinauf und sogleich weiter durch den langen Arkadengang mit seinen von Blumen umrankten Grünsteinsäulen. Im wichtigsten Saal des Palastes wartete bereits Sorlor auf ihrem Strahlenbaumthron. Und Strahlen tanzten um ihr mit Elacrais Diadem geschmücktes Haupt. Umgeben war sie von den Edlen des Reiches und die Hohen Räte standen ihr zur Seite. Da wurde auch schon der Bote hereingeführt. Respektvoll aber kurz grüßte er die Anwesenden und begann sogleich mit seinem Bericht. Je länger man ihm zuhörte desto sorgenvoller wurde die Miene Sorlors und in manchen Gesichtern konnte man Bestürzung lesen von dem Gesagten. Als der Bote endete herrschte Schweigen in der Hohen Halle bis ihn die Kaiserin mit einer Geste entließ. Seine hallenden Schritte waren die ersten Geräusche seit dem letzten Worte und vermochten doch die Stille nicht zu brechen. Schließlich wandte sich der Rat für Verteidigung der Kaiserin zu und Sorlor erhob sich von ihrem Thron. "So ist also das Unaussprechliche geschehen! Zum ersten mal seit sich die Dunkelelfen von uns abwandten führen wieder Elfen Krieg gegen Elfen! Und nicht wir waren es, die den ersten Schlag führten! Nicht wir waren es, die das erste Blut der Unsrigen vergossen, so oft unsere Feinde uns dies auch prophezeiten! Schande über Etan und die Seinen, die er zu solcherlei angestiftet! Wahrlich, nun können Gors unselige Diener triumphieren. Das Reich der Elfen befindet sich im Bürgerkrieg!" Und rasch verbreitete sich die Schreckenskunde in der Hauptstadt. Vom schimpflichen Angriff auf eine der kaiserlichen Grenzstädte. Wohl geplant und ohne Vorwarnung ausgeführt, mit zahlreichem Söldnervolk der Menschen im Heerzug und Prinz Makur von Lealock an der Spitze. Aber auch mit Llewellen und Mythia Sylvania an seiner Seite, ewig verdammt seien ihre Namen bis zur Neuordnung der Welt. Und unruhig schauten die Bewohner zu den Türmen des Palastes hinauf, dessen Hallen erleuchtet waren wie sonst nur bei den alljährlichen Zeremonien mit ihren langen Feierlichkeiten und aus dessen Marstall so mancher Meldereiter in die Nacht hinaus aufbrach. Wie gewohnt stieg am nächsten Morgen der Sonnenwagen fern im Osten über den Rand der Welt, wo im Imperium der Ostmenschen gerade die Nacht zu enden schien. Doch über den Ländern der Elfen strahlte sein Licht diesmal nicht so hell wie an andren Tagen, welche zwar selten bar jeder Sorge, so doch nicht solche Kunde hatten erfahren. Abermals erklang nun das Lied der Meldorianflöte, wie damals als das Schisma fiel und das Kaiserreich verkündet wurde. Und wie damals trat Sorlor auf den Balkon hinaus. Doch müde schien sie dieses mal auf die Menge herabzublicken, nach einer langen Nacht der Beratungen und die versammelten Elfen harrten ihrer gewiß inhaltsschweren Rede. Die Kaiserin straffte sich und wie beschwörend hob sie ihre Hände und Elacrais Aura legte sich um sie. Und mit dem erhabenen Charisma einer Großen ihres Volkes, das nur wenige der Elfen gleichermaßen auszustrahlen vermochten setzte sie zu ihrer Rede an. "Am gestrigen Tage, zu unglücklichster Stunde, wurde der Friede gebrochen! Der Friede der uns am heiligsten, am unantastbarsten schien! Angehörige unseres eigenen Volkes haben die Waffen gegen die Ihren erhoben. Ohne Kriegserklärung wurden wir angegriffen und auf immer möge diese Schande auf den Verursachern liegen! Nun werden wir also einen Bürgerkrieg führen müssen und nur die Götter mögen wissen wie viele der Unsrigen bis zu seinem Ende auf beiden Seiten fallen und in die Hallen der Stille einziehen werden." Dies blieben nicht die einzigen deutlichen Worte die an diesem Tage gesprochen werden sollten. Denn schon stieg Amarthrom, der älteste der Elacraispriester auf den Gipfel des westlich der Hauptstadt aufragenden Annûnorod und weithin hallte sein Ruf in den umliegenden Tälern. Die Getreuen des Reiches rief er zum Waffengang auf. Und zum Schwure bei allen Göttern der Elfen. Für den Sieg zu streiten, bis daß die letzten der Missetäter ihren Richterspruch erhalten und die Einigkeit des Reiches wieder hergestellt. So begannen die langen Jahre der Waffengänge, die doch nur ein Teil aller Kriege waren die nun ringsum zu lodern begannen. Und das Dunkle frohlockte. Seine Zeit war gekommen. Silentium, Early Autumn anno 850